Vor und hinter der Fassade.

Nach einer wohltuenden Abkühlung in den Teheraner Bergen haben wir wieder genügend Energie aufgeladen, um uns die Wüstenregion in der Nähe von Kashan anzusehen. Da dort um diese Jahreszeit leicht die 50-Grad-Marke geknackt werden kann, verbrachten wir die Stunden bis zum Abend, um uns die Stadt Kashan anzusehen. Nach einem ausgiebigen Abendessen steuerten wir die Manjarab-Wüste an und parkten unsere Autos vor einer riesigen Sanddüne. Die Temperaturen lagen noch immer weit über 35 Grad und wir kühlten uns zunächst mit einer kühlen Dusche ab. Lange hielt diese Abkühlung allerdings nicht an.

35 Grad Nachthitze bescherten uns eine kurze Nacht und wir nutzten die frühen Morgenstunden, um mit unseren Autos in den Dünen zu fahren. Sogar ein paar Dromedare leisteten uns Gesellschaft. Kurz vor zwölf Uhr war unsere Schmerzgrenze in unserem Auto ohne Klimaanlage erreicht und wir verließen die Wüste, um unser nächstes Ziel Isfahan anzufahren.

Auf unser nächstes Ziel im Iran haben wir uns besonders gefreut und von Beginn an geplant, hier etwas länger zu verweilen. Isfahan wird manchmal als das "Zentrum der Welt" bezeichnet, und auch wenn dies aus geografischer Sicht nicht ganz stimmt, trifft es kulturell gesehen ziemlich genau zu. Die Stadt ist die perfekte Mischung aus Tradition und Moderne, Ost und West. Isfahan war damals eine wichtige Station auf der Seidenstraße, was bedeutet, dass fremde Gesichter ein vertrauter Anblick in der Stadt sind, was die Stadt zu einer touristenfreundlichen, aber dennoch liebenswert authentischen Stadt macht.

Von Amin, einem lokalen Guide, ließen wir uns die Geschichte der Stadt bei einem Spaziergang erzählen. Die Stadt gewann im 16. und 17. Jahrhundert an Bedeutung, als sie unter der Safawiden-Ära zur Hauptstadt des persischen Reiches wurde. Um mal eine Vorstellung zu bekommen: auf dem Höhepunkt dieser Herrschaft erstreckte sich das persische Reich über den Iran, Aserbaidschan, Bahrain, Armenien, den Nordkaukasus, Georgien, den Irak, Kuwait, Afghanistan und auch einige Teile der Türkei, Syriens, Pakistans, Turkmenistans und Usbekistans. Nachdem wir einen Großteil dieser Länder bereits bereist haben, können wir mit Gewissheit sagen: das ist sehr groß! Neben der Kriegsführung widmeten sich die Safawiden aber auch der Architektur, Kunst und Philosophie. Überreste davon sind überall in der Stadt zu finden und es ist kaum möglich, sich an der Schönheit satt zu sehen. In den etlichen kleinen Gassen, Bazaren und kleinen Geschäften ist es nicht schwierig, sich zu verirren.

Als wir an einem der vielen Teppich-Geschäfte hielten und Amin, unser Tourguide, uns davon berichtete, dass er noch ein Geburtstagsgeschenk für seine Mutter sucht, ließen wir uns nicht die Chance entgehen, ihn zu begleiten (und dabei nichts kaufen zu müssen). Während die aufwendig geknüpften Teppiche damals als Mittel dienten, um sich vor Kälte und Nässe zu schützen, gehören sie heute zu einem festen Bestandteil des Hausstandes im Iran und können als Schlafplatz, aber auch als wertvolle Wanddekoration genutzt werden. Dabei werden nicht nur unterschiedliche Materialien wie Baumwolle, Seide, Schafs- oder Kamelhaar verwendet, sondern mit unterschiedlichen Motiven die Geschichten der Seidenstraße erzählt. Wir haben uns gleich in die schönen Teppiche verliebt, müssen den Kauf aus Platzgründen aber noch etwas verschieben…

Achso, und ein Geschenk für Amins Mutter hat sich übrigens auch gefunden.

Unsere Abende in Isfahan haben wir häufig genutzt, um uns mit Bekannten zu treffen. Sara (Bild unten, 3. Person von links) hat uns bei der Beantragung unseres Visums geholfen und stand uns bei allen organisatorischen Dingen immer zur Seite. Sich mit ihr austauschen zu können, hat uns nicht nur gefreut, sondern vor allem dazu beigetragen, mal mit einer Iranerin in Kontakt zu kommen.

Denn nicht ohne Grund hat sich der/die ein oder andere gefragt, was wir überhaupt im Iran zu suchen haben. In einem Land, das seine Menschen unterdrückt und Rechte verletzt. Kaum ein Land der Welt unterliegt so scharfen Sanktionen wie der Iran. Keine westliche Institution oder Firma agiert im Land, der Handel ist vor allem wegen des Atomstreits zwischen dem Iran und den USA komplett ausgesetzt. Auch wenn sich die Maßnahmen der Weltpolitik eigentlich nur gegen das Regime selbst richten, letztendlich sind die Auswirkungen mittlerweile so drastisch, dass die Gesellschaft darunter schwer leidet. Denn sie sind es, die den eigentlichen Preis für den Konflikt zahlen.

Natürlich haben wir uns auch mit den Schattenseiten des Landes beschäftigt und mit Menschen in unserem Alter über die Situation diskutiert. Auch in Sara’s Familie gibt es Diskussionen darüber, warum ihre Großmutter damals zur Zeit der Revolution gegen die Demokratisierung war. Zu dieser Zeit haben sehr konservative Gläubige und extrovertierte Menschen friedlich miteinander gelebt. Während die einen zum Beten in die Moschee gingen, war es anderen genauso erlaubt, mit aufreizenden Oufits zu Partys zu gehen. Doch das Umkrempeln des Landes ging vielen Menschen zu schnell und so ist es heute der streng religiöse Staat, zu dem er durch seinen Revolutionsführer gemacht wurde. Und dennoch haben wir den nicht den Eindruck, dass Religion für alle Menschen eine wichtige Rolle spielt. Wir müssen aber fairerweise zugeben, dass wir natürlich hauptsächlich mit modern eingestellten Iranerinnen und Iranern ins Gespräch gekommen sind.

Mit vielen jungen Menschen haben wir auch über ihre Zukunft gesprochen und es ist Wunsch von vielen, nach Europa zu kommen, um dort zu studieren. Ältere Menschen wiederum haben große Bedenken dabei, auszuwandern, denn sie wollen im Ausland nicht die unerwünschten Flüchtlinge sein, die nicht akzeptiert geschweige denn respektiert werden. Freunden von uns wurde sogar die Frage gestellt, was man denn wohl von einem Iraner denken würde, der plötzlich in die Wohnung nebenan einzieht? Diese Frage für Deutschland ehrlich zu beantworten, ist gar nicht so einfach. Dass wir mit unserem deutschen Reisepass überall herzlich willkommen sind und keinerlei Reisebeschränkungen haben, wird uns im Iran so klar wie nie.
Umso beschämter sind wir manchmal, dass wir kaum 200 Meter in den iranischen Straßen gehen können, ohne freundlich Willkommen geheißen zu werden oder Einladungen zu erhalten. Wir fragen uns immer wieder, wie diese Gesellschaft es nahezu ausnahmslos schafft, so freundlich und herzlich zu sein, während sie unter persönlichen und wirtschaftlichen Sanktionen leiden. Auch untereinander erleben wir ein besonders schönes Miteinander, dem wir einfach gerne zugesehen haben.

Auch mit Mehrnoush (Bild unten) verbrachten wir einen wunderschönen Abend, an dem wir typisch iranisch gekocht haben. Auch ihre Geschichte und persönlichen Erzählungen haben uns sehr berührt und sprachlos gemacht. Vielleicht werden wir hierauf nach unserer finalen Ausreise genauer eingehen…

Wir sind froh, die Entscheidung getroffen zu haben, eine Woche in Isfahan zu bleiben. So hatten wir die Gelegenheit, eine Stadt intensiv zu erkunden und gleichzeitig mit Menschen in Kontakt zu kommen, die das Land so schön machen.

Von Isfahan aus hatten wir eine lange Etappe von knapp 2.000 Kilometern vor uns, die uns bis zur Grenze nach Pakistan führte. Auf dem Weg dorthin trafen wir uns zusätzlich noch mit Sharuk und seiner Frau Jia (zwei Reisende aus England), um einerseits in die größte Wüste des Iran zu fahren und von dort aus gemeinsam den weiteren Weg zu bestreiten.

Was den Iran angeht, wollen wir noch kein Fazit ziehen, denn wir haben nur einen Bruchteil dieses schon jetzt beindruckenden Landes gesehen. Im November werden wir dorthin zurückkehren und den Süden und Südwesten erkunden, der für den jetzigen Zeitpunkt einfach zu heiß war. Schon jetzt können wir es kaum erwarten, wiederzukommen. Um jedoch einige der höchsten Berge der Welt in Pakistan vor Beginn des Schneefalls zu sehen, machen wir uns kurzfristig auf den Weg in den Norden des Landes.

Eine letzte Nacht im Iran stand uns sechs jedoch noch bevor und wir wussten, dass die nächsten fünf Tage sehr ereignisreich und nicht ganz ungefährlich sein werden. Von einem unserer größten Abenteuer auf der Reise berichten wir euch beim nächsten Mal aus Pakistan.

Route in Iran, Stand 13.08.22. Quelle: Gaia GPS / MapBox / Open Street Map.

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Mit der Polizei-Eskorte durch Belutschistan.

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“Welcome to Iran”