Urlaub vom Reisen.

Frühes Aufstehen war angesagt. Um ca. 15 Uhr am 2. August wollten wir uns mit Denise und Marieke, zwei Freundinnen, an unserer Wohnung in Dobre Voda, treffen. Das Navi war optimistisch und sagte uns eine Ankunft gegen 13 Uhr voraus - genug Zeit, um in unserer Wohnung vor Ort alles einzurichten und es uns nach zwei Monaten im Auto gemütlich zu machen. Doch schon die Grenze Montenegros hätte uns ahnen lassen können, dass hier unser erster „stop and go“ auf uns wartet. Zunächst fuhren wir aber ganz entspannt über die Gebirgspässe und konnten dabei den ersten Flair des Landes genießen. Auf der Küstenstraße angekommen, wurde uns aber schnell klar: Montenegros Adria ist kein Geheimtipp mehr. Massenhaft Autos fuhren auf der Straße und es gab keinerlei Alternativrouten, auf die man hätte ausweichen können, wenn man in Meeres-Nähe übernachten möchte. So verbrachten wir ganze drei Stunden länger auf der - zugegebenermaßen schönen - Panoramaroute, eng an eng mit vielen Montenegrinern, Serben, Bosniaken und Russen. Ehrlich gesagt waren wir wirklich geschockt, hatten wir doch Kroatien aufgrund der von uns vermuteten großen Menschenmassen bewusst gemieden. Nichtsdestotrotz, gegen frühen Abend kamen wir an unserer Bleibe an. Bei teilweise mehr als 37 Grad Außentemperatur war unsere Klimaanlage ein echter Segen. Auch Denise und Marieke blieben vom Stau auf der Küstenstraße nicht verschont, sodass wir uns erst am späteren Abend in den Armen liegen konnten. Wir haben uns wirklich über dieses Wiedersehen gefreut. Montenegro als Treffpunkt war übrigens nur eine grobe Schätzung unseres Reisefortschritts ganz zu Beginn unseres Aufbruchs. Es war gar nicht so einfach, abzuwägen, wo wir wohl gegen Anfang August sein würden. Montenegro schien für uns auf die Entfernung bezogen realistischer als unser Ursprungsziel Griechenland.

Um uns am nächsten Tag ein Bild von der Umgebung zu verschaffen, machten wir einen kleinen Spaziergang. Die am Strand liegenden „Ölsardinen“ konnten wir nicht anders als mit Humor nehmen. Es war für uns nicht wirklich eine Option, uns irgendwo zwischen Fleischplatte und Cocktails zu quetschen, um uns zu sonnen.

Stattdessen machten wir uns einen Plan, was wir in der Umgebung neben überfüllten Stränden sehen könnten. Und schnell stellte sich heraus: wir müssen von der Küstenstraße weg. Und siehe da, nur eine Stunde landeinwärts hat der See Skadar dann doch gezeigt, was wir uns zuvor von Montenegro vorgestellt haben. Dieser ist neben dem Gardasee der größte See Südeuropas und liegt im Grenzgebiet zwischen Montenegro und Albanien und wirkt durch seine von Seegras überdeckten grünen Flächen mit kleinen Fischerbooten fast asiatisch. Ein schöner Anblick, den wir uns von den Bergen aus ansehen konnten.

Am Folgetag machten wir uns in eine ähnliche Richtung auf, um am Ende des Tages einen weiteren Freund aus der Hauptstadt Podgorica abzuholen. Simon stieß spontan für die nächsten Tage hinzu und machte die Runde damit komplett. Wir verbrachten noch einen weiteren Tag in der Stadt, suchten uns aber einen abgelegeneren Klippenabschnitt zum Schwimmen, bevor wir am Abend gemeinsam ein gemütliches BBQ in unserem kleinen Olivengarten genossen.

Nach den ersten fünf Tagen im Süden Montenegros stand ein Umzug bevor. In weiser Voraussicht planten wir, zwei Orte im Land zu besuchen und von hier aus unsere Tagestouren zu planen. Kotor, eine wunderschöne Stadt, die mit der gleichnamigen Bucht einen einzigartigen Blick auf das Meer bietet, war unsere zweite Anlaufstelle. Die Stadt selbst war bei weitem nicht so überlaufen wie die Städte mit unmittelbarer Nähe zu Sandstränden und damit eine wohltuende Abwechslung. Eine recht ruhige Stadt mit vielen kleinen Restaurants und Cafés paart sich mit einer riesigen Bucht und einer Altstadt, die der von Dubrovnik in nichts nachsteht, aber längst nicht so überfüllt ist. (Der Grund dafür ist aber sehr sicher auch, dass derzeit kaum Kreuzfahrtschiffe anlegen.) Im Wechsel gönnten wir uns Tage am Meer, Ausfahrten aufs Wasser und Tagestrips in den Nationalpark Durmitor. 12 Tage gingen viel zu schnell herum, aber wir freuen uns, dass wir dieses Treffen nicht nur geplant, sondern auch in die Tat umgesetzt haben. Danke, dass ihr drei da gewesen seid!

Nach unserem „Urlaub“ vom Leben im Auto nahmen wir uns vor, das Land auf dem Weg zurück nach Bosnien und Herzegowina nochmal so zu erkunden, wie wir es zuvor gemacht haben. Abseits größerer Städte und Strände konnten wir im Nationalpark im Südosten des Landes ohne Empfang und ausschließlich mit einheimischen Campern ruhige Plätze finden, an denen wir uns Zeit nahmen, unsere Fotos zu sortieren und uns mit unseren Texten zu befassen. Ebenso angenehm war es, den heißen Temperaturen von der Küste zu entkommen. Auf knapp 1.800 Metern genossen wir unsere natürliche Klimaanlage bei weniger als 10 Grad in der Nacht. Dieses Mal mit Pferdebesuch, der zuletzt recht aufdringlich wurde. Es gab offensichtlich ein großes Interesse daran, sich an unserem Abendessen zu beteiligen.
Die Natur des Landes ist eine Mischung aus Adriaküste, Gebirge mit Hochebenen, vielen Wäldern und Seen. Auch Montenegro ist derzeit stark von Waldbränden betroffen, sodass Helikopter und Löschflugzeuge versuchen diese einzudämmen.

Der infrastrukturelle Prozess des Straßenbaus ist in Montenegro so gut wie abgeschlossen. Dennoch konnten wir sehen, welche riesigen Bauprozesse derzeit in vollem Gang sind. Inmitten von kleinen Dörfern und über eine Schlucht gespannt, verläuft eine überdimensional große Brücke, die Teil einer neu gebauten Autobahn werden soll. Die „Autoput A1“ soll das Mittelmeer und den Hafen von Bar mit Serbien verbinden und als Anschluss an die neue Seidenstraße dienen. Generalunternehmer ist - nicht zu übersehen - eine chinesische Firma, die mit ihren umliegenden Bauten einen großen Teil der Fläche um die Brückenbauten eingenommen hat. Ein derzeit umstrittener Bau, aufgrund der vorgetragenen Bitte von Montenegro an die EU, sich an der Begleichung der Kosten zu beteiligen. Man befürchtet nun, dass mitten in Europa ein ganzes Land in die Abhängigkeit Chinas gerät. Wir haben es uns nicht nehmen lassen, diese Baustelle zu befahren und ein paar Fotos zu schießen.

Auf unseren letzten Metern in Montenegro haben wir uns glücklicherweise nochmal verfahren. Glücklicherweise, weil wir so wohl unsere netteste Begegnung im Land machen konnten. Um eine freundlich lächelnde ältere Dame nach dem Weg zu fragen, hielten wir an einem Haus in den Bergen an. Mit wilder Gestik wies sie uns darauf hin, dass irgendwer oben im Haus uns helfen könnte, gerade aber noch am schlafen sei. Wenige Minuten später tauchten zwei stämmige Männer aus dem Obergeschoss auf, ihre Söhne. Um uns den Weg zu erklären, baten sie uns zunächst auf ein kühles Bier herein, dann könne man „in Ruhe schauen, wo es lang geht“. Wir nahmen die Einladung dankend an und unterhielten uns in recht gutem Englisch darüber, was wir uns noch in der Gegend ansehen müssten. Nach ungefähr einer Stunde brachen wir dann mit entsprechender Orientierung wieder auf. Kontakte hatten wir sicherheitshalber noch ausgetauscht. Noch am selben Abend erhielten wir kurz vorm Schlafengehen eine Nachricht von Zoran (einem der Brüder), der uns fragte, ob wir nicht Lust hätten, am nächsten Tag beim BBQ mit seiner Familie dabei zu sein.

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Wir haben uns sehr über diese Einladung gefreut, denn bislang konnten wir nur grob über die Freundlichkeit der Montenegriner berichten. So schlugen wir am nächsten Tag pünktlich um 12 Uhr bei der Familie auf. Uns erwarteten bereits die Mutter des Hauses und ihre beiden Söhne, eine Schwiegertochter und ihr Sohn (der Mittelpunkt der Familie) sowie ein freundlicher Nachbar. Wir wurden zunächst ausreichend mit Kaffee, Bier und Grappa versorgt, bevor wir unmittelbar darauf in viele Gespräche verwickelt wurden. Gerade Sandra, die Frau von einem der insgesamt drei Söhne (tätig in größter Brauerrei des Landes, US-Botschaft und der IT-Branche), hatte ein ganz ausgeprägtes Gefühl dafür, die Gruppe trotz einiger Sprachbarrieren zu verbinden, an einigen Stellen zu übersetzen und niemals die Gesprächsthemen ausgehen zu lassen. Immer wieder betonte sie, dass sie eigentlich „nur Hausfrau“ sei, in unseren Augen war sie aber aufgrund ihrer sehr guten Sprachkenntnisse, ihres Witzes und Selbstironie viel mehr als das. Um uns herum arbeiteten die Männer des Hauses fleißig daran, das BBQ herzurichten. Es fehlte wirklich an nichts und wir waren entsprechend froh, an diesem Tag noch nichts gegessen zu haben. Vorbereitet wurde eine riesige Fleischauswahl, Salat aus dem Garten, Kartoffeln und frisch gebackenes Brot. Kaum waren unsere Bier- und Schnapsgläser angetrunken, wurde gleich wieder nachgefüllt. Da konnte unsere Trinkfestigkeit kaum mithalten und wir versuchten, die Gläser hin und wieder so voll zu lassen, das nicht mehr nachgefüllt werden konnte. Noch bevor wir mit dem Essen begannen, kam der älteste Sohn der Familie nach Hause. Er begrüßte uns alle kurz und verzog sich dann ins Haus, um nur wenige Minuten später in Imker-Kluft wieder herauszukommen. Neben dem Haus der Familie war er zuständig für ungefähr 25 Bienenstämme. Als er unser Interesse an seiner Arbeit wahrnahm, zögerte er nicht lange, Caro einen weiteren Anzug herauszuholen und mitzunehmen. Gemeinsam versorgten sie jede einzelne Box mit Zuckerwasser für das Überwintern der Bienen. Als Dankeschön für ihre Mithilfe gab es noch ein großes Glas selbst-gemachten Honig.

Nach einem köstlichen Abendessen wollten wir eigentlich aufbrechen, doch man bot uns sofort an, die Nacht auf dem riesigen Feld des Nachbars zu verbringen - das Auto durften wir ja eigentlich ohnehin nicht mehr bewegen, auch wenn das in Montenegro alles nicht so eng gesehen wird (uns kamen selbst Kinder in großen Geländewägen entgegen). Mit leichten Kopfschmerzen machten wir uns am nächsten Tag wieder auf dem Weg in Richtung unserer neuen Bekanntschaft, um uns zu bedanken und zu verabschieden. Kaum hatten wir Platz genommen, wurde der Tisch schon wieder für das Frühstück vorbereitet. Zwar hielt unser Hunger noch immer in Grenzen, dieser Gastfreundschaft konnten wir aber nichts anderes als „ja, natürlich möchten wir mit frühstücken“ entgegenbringen. Nach fast einem ganzen Tag in der unbeschreiblich freundlichen Atmosphäre dieser Familie machten wir uns dann aber wirklich auf den Weg. Nochmals wurden wir von allen herzlich umarmt und man bedankte sich für unseren Besuch. Ohne ein riesiges Lunchpaket wurden wir allerdings nicht fahren gelassen. Fast wie zuhause.

Unser Fazit über Montenegro ist, dass wir zunächst wirklich verwundert darüber waren, wie fortgeschritten der Tourismus entlang der Küste ist (die Hotels und Apartments schießen nur so aus dem Boden) und welche Menschenmassen hier zur Hochsaison auflaufen. Damit hatten wir nicht gerechnet, nachdem Bosnien und Herzegowina nahezu touristenleer war. Dass die schöne Küste jedoch viele Menschen im Hochsommer zum Baden einlädt, ist aber natürlich irgendwie klar. Die kleinen Örtchen um die Kotor-Bucht haben uns in jedem Fall sehr überzeugt und sind sicher eine schöne Möglichkeit, die ein oder andere Woche im Land mit abwechslungsreichen Aktivitäten zu verbringen. Abseits der Küste zeigt sich das Land von seiner einfachen und naturreichen Seite, die wir glücklicherweise auf unserem Rückweg nach Bosnien und Herzegowina noch ausgiebig mitgenommen haben.

Route in Montenegro, Stand 22.08.2021. Quelle: Gaia GPS / MapBox / Open Street Map.

Route in Montenegro, Stand 22.08.2021. Quelle: Gaia GPS / MapBox / Open Street Map.

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Auf Durchreise.

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Bis bald, Bosnien und Herzegowina.