“Welcome to Iran”

Endlich war es so weit. Das Land, das in unserem Ranking ganz oben auf der Liste der Länder stand, die wir unbedingt bereisen wollten, war nur noch wenige Meter von uns entfernt. Um acht Uhr morgens erreichten wir die armenisch-iranische Grenze. Und mit dieser Grenze war zum ersten Mal ein hoher Vorbereitungs-Aufwand verbunden, denn wir benötigten

  1. ein Visum, das es nicht an der Grenze gibt, sondern vorher beantragt werden muss

  2. ein Zolldokument (das sogenannten „Carnet de Passage“), um das Auto einführen zu können

  3. Kleidung, die der Kleiderordnung des Landes entspricht

Nach der Ausreise aus Armenien ging es weiter zum iranischen Schalter. Zunächst wurden unsere Pässe sowie das Visum geprüft, was schnell und unproblematisch verlief. Nun ging es um das Auto. Vor dem Zoll-Schalter, an dem bereits etliche LKW-Fahrer mit ihren Dokumenten warteten hielten wir erneut an. Unsere deutsche Intuition führte uns zunächst hinter die Menge der wirr herumstehenden Menschen, bis wir bemerkten, dass wir ohne vordrängeln wohl nie an die Reihe kamen würden. Ein freundlicher Mitarbeiter brachte uns schließlich zum nächsten Gebäude, in dem unser Zolldokument gestempelt werden sollte. Während wir die angeforderten Kopien von unseren Pässen und weiteren Dokumenten im Nebenraum anfertigten, wurde unser Carnet dann zunächst auf falsch der Ausreiseseite gestempelt, da man wohl nicht verstanden hat, dass wir in den Iran einreisen wollen. Der kleine Fauxpas wurde mit einem Überschreiben und Überstempeln beseitigt und wir wurden weiter zur letzten Polizeikontrolle geleitet. Etwas verunsichert, ob wir nun bei der Ausreise ein Problem bekommen könnten, versicherte uns der freundliche Herr auf der anderen Seite des Tresens “no problem, no problem”. Also gut, dann haben wir es wohl geschafft. An der letzten Schranke angekommen, teilte man uns dann aber mit, dass noch ein letzter Zettel zur Ausreise fehlt. Da man uns aber nicht so recht sagen konnte, wo wir diesen bekommen, bekamen wir den Polizei-Azubi an die Hand, der diesen organisierten musste. Gut, jetzt aber: nach insgesamt drei Stunden durften wir schließlich ohne jegliche Fahrzeug-Kontrolle auf verbotenen Alkohol, Schweinefleisch oder Drohne einreisen. Endlich sind wir im Iran!

Wir sind überglücklich, endlich hier zu sein und fühlen uns – abgesehen von unserem Aufenthalt im Süden Afrikas – das erste Mal auf der Strecke mit dem Defender richtig weit weg von zuhause. Und das spürt man auch, denn weder Buchstaben noch Zahlen im Land können wir in der Landessprache Farsi lesen. Noch dazu ließt man nicht von links nach rechts, sondern von rechts nach links. Mit den Zahlen machen wir uns also zunächst vertraut, um uns mit der ersten Aufgabe des Tankens im Land auseinandersetzen zu können. Aber auch das Jahr im Iran ist ein anderes als in Europa. Während wir in Deutschland das Jahr 2022 zählen, lebt man im Iran im Jahr 1401, denn das Jahr 1 im persischen Kalender entspricht Jahr 622 n. Chr. im gregorianischen Kalender. Ganz schön anders hier.

Autos, die im Iran – wie wir – Diesel tanken, sind völlig unüblich. Lediglich Fahrzeuge wie LKW, Busse oder teilweise landwirtschaftliche Fahrzeuge werden hiermit betrieben, andere werden mit Gas gefahren. Darüber hinaus wird der Diesel im Land subventioniert und kostet 3.000 Rial, was ungefähr 0,01 Euro pro Liter entspricht. Genau, richtig verstanden: einen Cent pro Liter. Um die Mengen regulieren zu können, vergibt das Land Diesel-Tankkarten an Befugte LKW-, Busfahrer oder Tankwarte, auf die der Diesel gebucht werden kann. Für Ausländer oder Touristen im Allgemeinen sind diese Tankkarten allerdings nicht verfügbar, was für uns bedeutet, dass wir an Tankstellen Tankwarte oder LKW-Fahrer bitten müssen, auf ihre Tankkarte zu tanken und ihnen im Anschluss das Geld in Bar geben zu können.

Mit all diesen Informationen gewappnet fuhren wir nach Überquerung der Grenze eine der ersten Tankstellen an und versuchten dem Tankwart zu vermitteln, dass wir gerne Diesel tanken würden. Zunächst schien er etwas verwundert und bat uns, am Rand zu parken, bis der nächste LKW eintrudelt, zückte aber schon nach wenigen Minuten seine eigene Tankkarte und füllte unseren gesamten Tank (also ungefähr 80 Liter) für insgesamt 1,57 Euro inklusive Trinkgeldes auf. Der doppelte Aufschlag tut in diesem Fall nicht weh und ist für Touristen üblich. Man kann aber auch mal Glück haben und bekommt eine ganze Tankfüllung umsonst. Zumindest was das Tanken angeht, fühlen wir uns jetzt schon wie im Paradies, da unsere üblichen Kosten von ungefähr 500 Euro für Diesel pro Monat nun fast gänzlich entfallen.

Und es wäre ja zu einfach, wenn dann immerhin das Bezahlen im Land einfach ist. Aber so leicht kommen wir nicht davon. Aufgrund der derzeitigen Wirtschaftssanktionen wird der Iran vom internationalen Zahlungsverkehr ausgeschlossen, was bedeutet, dass eine Kartenzahlung mit einer Visa- oder Mastercard nicht möglich ist. Auch Bank-Konten, von denen man aus dem Iran zugreift (zum Beispiel über das Online-Banking auf dem Handy) werden aus Sicherheitsgründen sofort gesperrt. Aus diesem Grund haben wir uns bereits in Griechenland mit dem nötigen Bargeld ausgestattet, das wir im Land gegen iranische Rial getauscht haben. Hierfür ging es allerdings nicht in eine offizielle Wechselstube, sondern auf den Schwarzmarkt in Tabriz, denn hier ist die Rate häufig verrückterweise besser als in den offiziellen Stellen.

Und noch etwas, was die Orientierung im Land etwas herausfordernd macht, sind die zwei vorhandenen Währungen Toman und Rial. Zwar ist die offizielle Währung der iranische Rial (IRR), der derzeit im Verhältnis 300.000 Rial zu 1 Euro steht. Die hohe Inflation im Land sorgt aber dafür, dass die Menschen eine Umgangswährung, den Toman, eingeführt haben, um das Chaos der Zahlung etwas zu reduzieren. 300.000 Rial sind also 30.000 Toman – mit einer Null weniger.

So, alles verstanden? ;-)

Nach unserer erfolgreichen Erledigung an der Tankstelle zum Schnäppchenpreis war Tabris, die Hauptstadt von Ost-Aserbaidschan, unser Ziel für die ersten Tage. Von hier aus konnten wir weitere Erledigungen wie das Organisieren einer SIM-Karte und den Geldwechsel organisieren. Auf einem kostenlosen Stellplatz, der von der Stadt zur Verfügung gestellt wurde, trafen wir neben zwei deutschen Campern auf einige iranische Familien, die ihre Zelte im Park aufgeschlagen hatten. Camping und Picknick ist im Iran nämlich ein Volkssport wie das Grillen in Deutschland. Die ersten Besucher am Defender ließen nicht lange auf sich warten und unsere Nachbarn staunten nicht schlecht, als dann auch noch das Dachzelt aufgebaut wurde. Da wurde gleich die Familie mit einem Video-Anruf dazugeschaltet.

Am nächsten Tag stand zunächst ein Termin im Versicherungsbüro auf dem Programm, denn zusätzlich zum Zolldokument muss das Auto noch im Iran versichert werden. Nach einer nervenaufreibenden Taxifahrt mit zweimaligem Fremdkontakt (der Verkehr im Iran ist verrückt!) wurden wir mit offenen Armen in Empfang genommen, es wurde Tee serviert und parallel der Versicherungsschein bearbeitet. Ein freundlicher Mitarbeiter unterhielt uns unterdessen und erkundigte sich nach unserem ersten Eindruck im Iran: “Iran good?”. Anschließend lockte uns der riesige Bazar der Stadt in seinen Bann. Anders als in der Türkei tummelten sich hier die Einheimischen zum Kauf von frischem Gemüse, Brot oder Gewürzen. Sich hier zu verlaufen, ist nicht wirklich schwierig und wir ließen uns treiben und dabei immer wieder mit den Worten „Welcome to Iran“ begrüßt. Unser erster Eindruck ist überwältigend und wir werden von Reizen überflutet und trotz unserer angepassten Outfits eindeutig als Touristen erkannt.

Nach zwei Tagen kurzer Eingewöhnungszeit in Tabris brechen wir auf in die Berge der Region, um auf gut 2.500 Metern eine kühle Nacht zu verbringen. Im Nord-Osten des Landes sind die Temperaturen zu diesem Zeitpunkt des Jahres noch gut auszuhalten und liegen um die 30 Grad. Am nächsten Tag statteten wir der Stadt Ardabil einen Besuch ab und besichtigten das Grabheiligtum des Safi ad-Din, der Namensgeber der großen Dynastie der Safawiden ist. Auch die wunderschöne Architektur dieser Bauten gibt uns das Gefühl, den Westen wirklich verlassen zu haben. Auf unserm weiteren Weg in Richtung Teheran, der Hauptstadt des Landes, stoppten wir noch an dem kleinen Bergdorf Masuleh und feierten Julian’s Geburtstag am Folgetag mit einem Abstecher zur Burg Rudkahn.

Um in der Hauptstadt Teheran ein paar organisatorische Dinge für unsere Reise zu erledigen, blieben wir für einige Tage in einem Hostel. Auf dem Parkplatz fiel uns sofort ein anderes Reisefahrzeug aus Wien auf, deren Besitzer wir nach kurzer Zeit im Innenhof kennenlernten. Auch andere Reisende aus Spanien, Frankreich, Deutschland und Pakistan waren zu Gast im Hotel und so nutzten wir die lustige Runde, um uns die Stadt gemeinsam anzusehen. Neben dem wunderschönen Bazar und Golestanpalast besuchten wir auch das Chomeini-Mausoleum, was das Grab des Führers der Islamischen Revolution, Ruhollah Chomeini, beherbergt.

Die Geschichte des Irans kurz zu fassen, ist kaum möglich, aber wir versuchen es trotzdem. Bis zu Chomeini’s Machtergreifung im Jahr 1978 regierte Schah (König) Mohammad Reza Pahlavi das Land und nahm einige Versuche vor, den Iran zu demokratisieren. Er versuchte, das Land dabei zu modernisieren und es an Europa und die USA anzugleichen, was innerhalb der Gesellschaft nicht nur auf Zustimmung stieß und zu blutigen Auseinandersetzungen auf den Straßen führte. 1979 floh der Schah nach großen Protesten im Land aus dem Iran und das Ende der alten Monarchie war nah, genau wie die damit zusammenhängende Feindschaft zwischen dem Iran und den USA, die unter dem Schah wichtige Verbündete waren. Die Zusammenarbeit bis zu diesem Zeitpunkt garantierte westlichen Konzernen unter anderem die Kontrolle über die Ölindustrie des Iran.

Nur wenige Monate nach dem Verschwinden des Königs rief Ajatollah Ruhollah Chomeini nach seiner Rückkehr aus dem Exil in Paris die Islamische Republik aus. Seither wird die islamische Republik Iran nach der Scharia geführt, die auf dem Koran sowie Überlieferungen und Auslegungen basiert. Sie ist nicht nur Grundlage des Rechts, sondern regelt auch das alltägliche Leben, wie die Ehe, Scheidung, Kleidungsordnung, Verhütung, Speisegebote. Heute ist das Land übersäht von Bildern seines Revolutionsführers Chomeini und dem derzeitigen religiösen Führer Ali Chamenei. Der gewählte Präsident des Landes steht in dessen Schatten.

Auch die ehemalige amerikanische Botschaft, in der im Januar 1981 US-Bürger für 444 Tage von Studenten als Geiseln gehalten wurden, besichtigten wir mit einer ausgiebigen Führung. Seit diesem Ereignis unterhalten die USA und der Iran keine diplomatischen Beziehungen mehr und die Botschaft wurde zu einem Museum umfunktioniert.

Nach vier ereignisreichen Tagen in Irans Hauptstadt entschließen wir uns mit Philipp und Leoni aus Österreich und Deutschland ein paar ruhige Tage in den Bergen Teherans zu verbringen und der Hitze zu entfliehen. Und nicht nur der Hitze: Teherans Autos erzeugen mehr Abgase als alle Autos in Deutschland zusammen. Durchatmen war hier also nicht wirklich möglich. Einige Tage lang eine frische Brise auf über 2.500 Metern zu genießen und gemeinsame Pläne für unser nächstes Reiseland Pakistan schmieden soll eine wohltuende Abwechslung sein. Sobald wir uns abgekühlt haben, melden wir uns wieder….

Route in Iran, Stand 30.07.22. Quelle: Gaia GPS / MapBox / Open Street Map.

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Vor und hinter der Fassade.

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Transit Armenien.