Vom Dachzelt ins Himmelbett.

Wir verließen die südlichen Drakensberge im strömenden Regen, was den Abschied etwas einfacher für uns machte. Es lagen ungefähr 600km bis zum Krüger Nationalpark vor uns, die wir mit einem Zwischenstop an einem kleinen See zurückließen. Nach einem Großeinkauf in Malelane, dem Ort vor dem südlichsten Eingangsgate, konnte es losgehen. Für den ersten Tag haben wir uns nur einen entspannten „Game Drive“ (so nennt man hier das Ausschau halten nach Wildtieren aus dem Auto) vorgenommen. Trotzdem konnten wir schon zu Beginn feststellen, wie weitläufig dieser Park ist. Seine Fläche entspricht etwa der Größe von Rheinland-Pfalz. 

Schon nach wenigen Fahrkilometern im Park konnten wir die ersten Wildherden sehen. Kurz vor unserer Rückkehr zum Campingplatz begegnete uns dann noch eine Nashornmutter mit ihrem Neugeborenen. Zum Abendessen und bei Temperaturen um halb sieben Abends um die 35 Grad haben wir beim gemütlichen „Braai“ (afrikanisches Grillen) den Tag ausklingen lassen.

Der nächste Tag startete für uns früh um sieben. Aber früh ist relativ. Unsere wenigen Nachbarn starteten meist bereits um vier Uhr mit dem Aufstehen, um rechtzeitig zur Parköffnung um halb fünf loszufahren. Zur frühen Morgenstunde sind die Tiere im Park meist noch viel aktiver, bevor sie sich spätestens zur Mittagszeit irgendwo in den Schatten legen. Wir starteten also nahezu als „Spätaufsteher“ und fuhren los. Je tiefer wir in den Park hineinkamen, desto mehr merkten wir, dass wir einerseits im Sommer und andererseits zur Regenzeit unterwegs waren. Das Gras im Park stand teilweise hüfthoch, was die Sicht auf die Tiere natürlich erschwerte. Die Zeit verging wie im Flug, während der eine sich im Wechsel auf das Fahren und der andere auf das Fotografieren konzentrieren konnte. Nach mehr als 10 Stunden Game Drive am ersten Tag war unser Resumé erfolgreich. Nur noch keine Großkatzen trauten sich vor unsere Linse. Zumindest dachten wir das. Nachdem uns ein netter Südafrikaner den Tipp gab, an einer kleinen Seitenstraße im Baum nach einem Leoparden mit ihrem Jungen zu schauen, verweilten wir dort mit mehreren anderen Autos ungefähr eine Stunde. Sehen konnten wir dabei nichts, aber alle behaupteten, dass er dort sei. Ein bisschen geknickt mussten wir dann kurz vor Parkschließung um halb sieben unseren Rückweg zum Camp antreten. Und dann war da dieser Glücksmoment. Auf direktem Weg zurück begegnete uns eine Gepardenmutter mit ihren beiden Jungen. Ganz elegant breiteten sich die drei auf der Straße aus und passierten unser Auto. Das schnellste Landtier der Welt ist eines der seltensten im ganzen Park (nur etwa 400 Tiere, weltweit sind es scheinbar nur noch ungefähr 7.000). Gesegnet mit diesem einzigartigen Moment konnten wir unseren ersten vollen Tag im Park abschließen.

Der nächste Tag begann für uns wieder in den frühen Morgenstunden. Wir verließen den Campingplatz gegen sechs Uhr morgens und machten uns auf den Weg. Dieses Mal nutzten wir eine andere Route. Wir kreuzten mehrere grasende Herden, etliche Elefanten und Giraffen, bevor wir uns entschlossen, eine Schotterstraße in Richtung unseres nächsten Campingplatzes zu wählen. Fernab von der Teerstraße wunderten wir uns zwar darüber, dass uns schon länger kein Gegenverkehr begegnete, fuhren dann aber trotzdem weiter. Nur ungefähr 500m hinter einem Baum, an dem gerade ein junger Gepard ein Vogelnest geplündert hat, stand plötzlich ein Auto an einer Flussüberquerung. Die Türen waren geöffnet und ein älteres Ehepaar stand außerhalb des Autos. Da musste wohl etwas passiert sein, jedenfalls ist es eigentlich nur an wenigen Stelle des Parkes erlaubt, das Fahrzeug zu verlassen. Eine Flussbett gehört jedenfalls nicht dazu. 

Wir fuhren langsam vor und stiegen aus, um zu erfahren, ob es ein Problem gibt. Das nette dänische Ehepaar hatte sich mit seinem PKW im Treibsand festgefahren. Auf Caro‘s Frage, wie lange sie dort schon warten würden (zehn Uhr morgens), antworteten sie „ach, erst zehn Minuten“. Wir unterhielten uns kurz über unsere Reisen und Erlebnisse und versuchten dann, den feststeckenden PKW mithilfe unseres Abschleppseils herauszuziehen. Problemlos brachte Julian das Fahrzeug zurück auf die Straße und unsere Wege trennten sich. Wir nahmen den weiteren Weg auf uns und Annemarie und Mogens drehten vorsichtshalber um.

Wie sich später herausstellte, war die Strecke, die wir gewählt hatten, gesperrt. Jedoch fehlte ein Hinweisschild an einer Seite. So hätten die beiden vermutlich noch mehrere Stunden in der prallen Sonne und umgeben von wilden Tieren auf Hilfe warten können. Zumal es an dieser Stelle nichtmal ein Handysignal gab.

Weitere zwei Stunden vergingen, in denen uns weit und breit niemand entgegenkam. Aus der Ferne dann irgendwann ein weißes Auto, dass seitlich neben uns stehenblieb. Wir realisierten es erst kaum, doch wie es der Zufall so wollte: es waren wieder Annemarie und Mogens. Bei der Parkgröße und den vielen anderen Menschen eigentlich unmöglich, dass wir uns wieder trafen, aber es sollte wohl so sein. Mogens öffnete ganz lässig das Fenster und fragte uns „Wir haben uns gefragt, ob ihr nichtmal Lust auf ein richtig gutes Bett, eine richtig tolle Dusche und richtig leckeres Essen habt!?“ Wir mussten lachen. Warum eigentlich nicht? Wir haben keine Termine und es wäre doch schön, einen Abend mit einem anderen Paar zu verbringen. Wir entschlossen uns, zuzusagen. „Okay, Drinks um fünf!“, sagten die beiden und wir verabschiedeten uns bis zum frühen AbendUnd so trafen wir uns nach weiteren zwei Stunden Fahrt außerhalb des Parks an der Adresse, die uns die beiden mitgaben. Dort angekommen standen wir vor einem riesigen Eingangstor, dass uns nach mehreren Kurven zu einer unfassbar schönen Lodge führte. Untypisch unpünktlich für uns kamen wir ungefähr eine halbe Stunde zu spät. Mogens begrüßte uns scherzhaft mit der Aussage, dass ein Mann seinen Drink pünktlich um fünf benötigt.

Wir betraten das Haus und Annemarie führte uns zu unserem unfassbar schönen Zimmer. Wir konnten gar nicht glauben, was für ein Glück wir hatten. Wir verbrachten einen unvergesslich schönen Abend auf der Terrasse der Lodge mit leckerem Essen und Wein und vor allem interessanten Gesprächen. Kurz vor dem Schlafengehen luden uns die beiden auf einen weiteren Tag in der Lodge ein, um am nächsten Tag die Umgebung von Hoedspruit zu erkunden.

Früh am Morgen verabredeten wir uns zum Spazierengehen auf dem Gelände des Estates, auf dem ungefähr hundert Häuser stehen. Giraffen und diverse Wildarten laufen frei herum, die sich auf den Straßen und den Grünflächen aufhalten - Raubtiere ausgenommen. Nach einem gemütlichen Frühstück brachen wir auf, den nahegelegenen Blyderivierrpoort Dam zu besuchen. Dort angekommen, wies man uns freundlich ab. Keine Durchfahrt im Moment. Ein Grund wurde uns nicht genannt. Wir haben es aber später dann durch einen Zufall herausbekommen: Ein in Südafrika lebendes Ehepaar aus Deutschland berichtete uns, dass dort das Dschungelcamp stattfindet. Stattdessen bekamen wir eine kleine Rundfahrt durch die niedliche Stadt und genossen danach den Nachmittag am Pool der Lodge. Am Abend konnten wir ein von der Hausdame Margrit zubereitetes typisches afrikanisches Essen probieren. Das sogenannte „Pap“ ist ein aus Maismehl bestehendes Gericht, das je nach Tradition mit Spinat, Tomaten und Fleisch serviert wird. Ein letzter Abend verging und wir hatten wieder genügend Energie, frische Wäsche und Motivation, uns wieder in den Krüger Park zu begeben. 

Dort angekommen verbrachten wir weitere zwei Nächte auf dem etwas abgelegeneren Campingplatz „Balule“, der bekannt dafür ist, dass sich die Tiere nachts an den Grenzzaun begeben. Strom gab es zwar nicht, dafür wird der Platz aber nachts mit Öllampen beleuchtet. Die Atmosphäre war entsprechend ruhig und der Sternenhimmel so klar wie nie. Passend zum Abendessen standen zwei Hyänen am Zaun, die wohl ihre Chance witterten, etwas abzubekommen. Auch Nilpferde und Löwen machten sich nachts laut bemerkbar. Unsere zwei letzten Nächte im Park verbrachten wir nördlich auf dem größeren Platz „Shingwedzi“, um von hier aus unsere letzte Chance zu nutzen, Leoparden und Löwen zu sehen. Auf dem Weg dorthin waren wir zunächst wenig erfolgreich, bis uns plötzlich ein Gepard auf der Straße kreuzte. Ganze drei weitere folgten in einem solchen Tempo, dass es leider nur für ein schnelles Handyfoto reichte. Auch die nächsten beiden Tage brachten in Sachen Löwen und Leoparden kein Glück, auch wenn uns unsere freundlichen Campnachbarn immer wieder zu erklären versuchten, wo wir sie zu welcher Zeit und an welchem Ort erwischen würden. Trotz mehrerer Versuche waren wir leider nicht erfolgreich, nahmen es aber nicht so schwer, schließlich stand ja in wenigen Tagen schon die Überfahrt nach Botswana auf dem Programm. Alle Südafrikaner, mit denen wir über unsere weiteren Pläne sprachen, kamen sofort ins Schwelgen über die unfassbare Schönheit Botswanas Natur und vor allem die vielen wilden Tiere.

Nach den ersten zwei Wochen in der Region um Kapstadt und entlang der Gardenroute fühlten wir uns wie in jeder anderen westlichen Metropole. Okay, eine etwas andere Kultur und Menschen mit unterschiedlicher Hautfarbe, aber große Unterschiede haben wir kaum festgestellt. Je mehr wir es aber provoziert haben, auch mal in andere Gegenden zu fahren, in denen man auch mal aus der Komfortzone gehen muss, desto mehr Ungleichheiten und Probleme haben wir festgestellt. Vor allem die gespaltene Gesellschaft, die noch immer von der Apartheid geprägt ist, ist unserer Meinung nach sehr präsent. Zumindest ist es das, was uns aus Gesprächen mit vielen unterschiedlichen Menschen in Erinnerung bleibt.

Im Allgemeinen haben wir rückblickend den Eindruck, dass wir eher immer von einem sicheren, abgezäunten Bereich zum nächsten gefahren sind. Es war doch eher die Ausnahme, mal einen Weg abseits der Route zu wählen oder irgendwo spontan vorbeizufahren. Okay, vielleicht mal ein Ausflug in einen Supermarkt, eine Mall oder ein Abstecher ins Restaurant. Danach aber dann eigentlich immer zum Nachmittag bzw. Frühen Abend zu unserem Übernachtungsort - klar, der auch wieder eingezäunt.

Offizielle Verkehrsschilder weisen in einigen Hotspots auf das „Risiko von Entführungen“ hin oder raten dazu „nur in Gruppen, jedenfalls auf keinen Fall allein“ unterwegs zu sein.“ Das regt natürlich zum Nachdenken an und sich vom Gegenteil überzeugen, möchte man auch nicht unbedingt. An Ampeln nicht nah auffahren, sondern meistens eine Art Fluchtweg offen lassen, gewöhnt man sich hier irgendwie so an, um kein Opfer eines “smash and grab” (Scheibe eines stehenden Autos einschlagen und reingreifen) zu werden. Ein Problem, das wir von Europa so nicht kennen. 

Und trotzdem ist uns keine dieser Schauergeschichten in mehr als einem Monat passiert, an dem wir uns ununterbrochen zu Fuß oder im Auto im öffentlichen Leben bewegt haben. Es scheint schon wahr und richtig zu sein, das Land mit einer gewissen Vorsicht zu bereisen, trotzdem möchten wir unsere Leichtigkeit während unserer Zeit in Afrika wieder zurückgewinnen und empfehlen jedem, der Lust auf ein wunderschönes Land mit tollen Menschen und exotischer Natur hat, hierher zu kommen und Zeit mitzubringen.

Es ist und bleibt hoffentlich ein einzigartiges, spannendes Land, in dem wir noch viel länger hätten bleiben wollen. Wir sind der Überzeugung, dass man fernab von allen kursierenden Problemen hier einen unvergesslichen Urlaub mit Safari, Lodge und Naturhighlights erleben kann. Für uns hätten die fünf Wochen Südafrika jedoch nicht besser sein können. Wir haben einen vielfältigen Einblick in die Schönheit, Vielfältigkeit aber auch in die Probleme und Unterschiede bekommen und sind sicher nicht das letzte Mal hier gewesen.

Route in Südafrika, Stand 21.01.22. Quelle: Gaia GPS / MapBox / Open Street Map.

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