Nächtlicher Besuch.

Insgesamt sechs Fahrstunden benötigten wir, um von der Zentral-Kalahari aus die Stadt Maun zu erreichen. Dort waren wir in dem Old Bridge-Backpackers mit Myriam und Pirmin verabredet. Einem Schweizer Paar, das vier Monate lang im südlichen Afrika im eigenen Auto reist. Kennengelernt haben wir uns bereits in Kapstadt, als die beiden einen Tag nach uns von demselben Campingplatz aus starteten wie wir. Als sie mit ihrem wunderschönen Defender auf den Platz fuhren, waren wir natürlich etwas neidisch, nicht selber mit dem “Landy” hier zu sein. Sie haben ihr eigenes Fahrzeug von der Schweiz aus über Deutschland nach Afrika verschiffen lassen.

Am Campingplatz in Maun angekommen, checkten wir nach einer Woche Internet-Abstinenz erstmal unsere Mails und Nachrichten und genossen bei einem kühlen Bier, dass endlich wieder etwas um uns herum los war. Und wen trifft man dann zufällig mehr als 10.000km von der Heimat entfernt? Klar, jemanden aus der Heimat. Wir gesellten uns also gemütlich zu Judith, die ihren Cousin hier jährlich besucht und verbrachten einen gemütlichen Abend an der Theke des Backpackers. Auch unsere Schweizer Verabredung stieß später dazu. Dass die Welt irgendwie doch ein Dorf ist, bestätigte sich spätestens an diesem Ort für uns.

Der nächste Tag galt mal wieder der Fürsorge für das Auto, dessen zwei platte Reifen wir in der örtlichen Werkstatt für nicht mal fünf Euro flicken ließen. Da uns noch einige Offroad-Kilometer bevorstanden, wollten wir wieder gut gerüstet sein. Später entschieden wir uns, von Maun aus einen Helikopter Flug über das berühmte Okavango Delta zu buchen, für das die Stadt als Ausgangspunkt bekannt ist. Möchte man das gesamte Ausmaß des Deltas sehen, bleibt einem entweder nur eine mehrtägige Fahrt in das Delta selbst übrig (mit Übernachtungsraten in teuren Lodges ab 500-4000€/Nacht und Person; kein Scherz) oder eben das Überfliegen. Da wir für die nächsten Tage bereits vorhatten, noch weiter nördlich in den Chobe Nationalpark zu fahren, entschlossen wir uns für den schnellen Überblick.

Der freundliche Pilot empfing uns am Flughafen Maun, wies uns kurz ein und schon konnte es losgehen. Zur Sicherheit mussten wir alle nochmal auf die Waage, um das Gesamtgewicht für den Helikopter nicht zu überschreiten. Hierbei machte sich dann der Sitzurlaub der letzten Wochen durchaus bemerkbar. Das Bereisen von Ländern mit vielen wilden Tieren ist eben kein Aktivurlaub. Schon nach wenigen Minuten konnten wir sehen, wie groß und weitläufig das Delta ist. Obwohl das Okavango erst Mitte Juni bis Anfang August seinen höchsten Wasserstand durch den Regen aus Angola erreicht, war schon gut erkennbar, wie sich die einzelnen Ströme zusammensetzen. Die Flughöhe von ungefähr 200 Metern eignete sich dabei perfekt, um die Tiere aus einer nahen und trotzdem anderen Perspektive als bislang zu beobachten. Und wir hatten Glück: viele Elefanten, Giraffen, Zebras, Nilpferde und sogar ein Krokodil waren zu sehen. Auch aus der Luft ist das Ausschau halten nach Tieren aber Glückssache. Mit dem Auto bis zu dem Punkt zu fahren, zu dem wir geflogen sind, hätte uns übrigens ungefähr vier Fahrstunden gedauert. Manchmal darf es für uns auch schneller gehen.

Zurück am Backpackers steckten wir mit Myriam und Pirmin unsere Köpfe zusammen und planten unsere Route gen Norden. Da wir nun mal wieder mit zwei Fahrzeugen unterwegs sein würden, konnten wir uns die ein oder andere Strecke mehr trauen, da wir uns ja nun gegenseitig bergen könnten.

Nach vier entspannten Tagen war also der Plan, durch den Chobe Nationalpark und die Savuti-Region hoch nach Kasane zu fahren. Die Stadt, die an Namibia, Sambia und an Simbabwe grenzt und auch die Wege von Myriam, Pirmin und uns trennen würde. Auf unserem Weg, der durch geschützte Naturgebiete führte, kreuzten uns mehrere Elefanten, die nicht immer besonders glücklich über unsere Begegnung schienen. Über Funkgeräte stimmten wir uns dabei immer ab, wann denn wohl der beste Zeitpunkt wäre, an dem Riesen vorbeizufahren. Gar nicht so einfach, einzuschätzen, wann dieser Moment ist. Wir müssen zugeben, dass sich die Begegnungen mit Elefanten in Botswana anders anfühlten als in touristischeren Parks in Südafrika. Dort hatten wir den Eindruck, dass die Tiere irgendwie mehr an Menschen in Autos gewöhnt waren. In Botswana hingegen schienen sie immer etwas überrascht, wenn dann doch mal jemand vorbeikommt.

Vorbei an großen Hippo-Pools steuerten wir unsere erste Schlafmöglichkeit an. Dieses Mal waren wir „zu Gast“ bei dem Tshaa Community Camp, das von einer örtlichen Gemeinde in der Savuti-Region betrieben wird. Dort angekommen, fanden wir eine gelangweilt auf Campingstühlen sitzende Gruppe vor, die ebenso überrascht von uns war wie die Elefanten. Ist wohl lange niemand mehr hier gewesen. Nach einem kurzen hin und her, wer denn jetzt wohl zuständig für uns ist, opferte sich eine junge Frau auf. Etwas patzig teilte sie uns mit, dass eine Übernachtung auf ihren Plätzen knapp 60€ je Auto kosten solle. Über die Preispolitik in diesem Land durften wir uns ja bereits wundern, die zusätzliche Art und Weise von Unfreundlichkeit und fehlendem Servicegedanken munterte uns aber dazu auf, nicht ohne weiteres auf das Angebot einzugehen. Uns allen schien es, als sei in einem Großteil des Landes die Strategie eingeführt worden, Europäern oder anderen aus ihrer Sicht vermögenden Reisenden das Höchstmaß an Preisen abzuverlangen. Als seien 50 Euro für und ein kleiner Schein, der locker in der Hosentasche sitzt. Als eine Art Erziehungsmaßnahme entschlossen wir uns, erstmal mitzuteilen, dass dieser Preis für uns einfach zu hoch sei, wir uns den Platz aber trotzdem ansehen und bei Bedarf zurückkehren würden. Man darf ja schließlich nicht vergessen, dass es sich bei all diesen Plätzen in der Regel lediglich um rudimentäre Bereiche in der Natur mit Plumpsklo und Dusche (meist ohne Wasser) handelt. Für 60 Euro bekommt man in Deutschland schließlich schon ein einfaches Hotelzimmer im Motel One. Wir machten uns etwas genervt auf den Weg zu dem uns zugewiesenen Platz und mussten nach beschwerlicher Zufahrt und schlechter Beschilderung zugeben, einen wundervollen Platz mitten in der Natur vorgefunden zu haben. Toilette und Dusche waren von der Natur leicht zugestaubt, aber sogar ein paar Tropfen Wasser quälten sich aus dem Wassertank. Wir waren etwas hin- und hergerissen, wollten definitiv bleiben (zumal es auch keine Alternativen gab) und versuchten, der Community ein Gegenangebot zu machen, das für uns so gerade noch in Ordnung war und für die Locals trotzdem gutes Geld einspielt. Ohne zu Zucken ließ sich die etwas aufgelockerte Dame auf unser Gegenangebot ein und für etwa 19 Euro pro Person durften wir das Camp beziehen.

Zurück am Camp machten wir uns bereit für ein gemütliches BBQ. Um uns herum grasten abwechselnd mehrere Elefanten, die Nilpferde grunzten und wir stellten fest, dass dieser Platz für uns alle wohl einer der schönsten war. Nach einem leckeren Abendessen ging die Sonne langsam unter und als sich die Nilpferde lautstark ins Wasser fallen ließen, um in unsere Richtung zu schwimmen, machten wir uns langsam auf den Weg in unsere Zelte. Von dort aus konnten wir ihre Augen im Taschenlampenlicht reflektieren sehen.

Das ist Botswana, wie wir es uns vorgestellt haben.

Der nächste Morgen startete mit einem ausgiebigen Frühstück, bevor wir uns weiter auf den Weg in den Chobe Nationalpark machten. Immer wieder mussten wir uns an den mit Wasser gefüllten Senken entlang der Piste für einen der vielen Umwege entscheiden, wobei diese meist genauso abenteuerlich waren, wie der lehmige Matsch auf der Hauptroute. Über Funk gaben wir immer durch, wie schwierig die einzelnen Passagen waren und konnten im Zweifel vom Land Rover mit mehr Bodenfreiheit rückwärts rausgezogen werden. Einige Male ging das gut, bis wir an einer besonders schlammigen Stelle dann doch steckenblieben. Aber kein Problem, mit dem Defender hinter uns fühlten wir uns sicher und Pirmin zog uns problemlos heraus. Wir wählten stattdessen eine etwas weniger vom Regen befallene Strecke, passierten riesige Herden von Zebras, Giraffen und Elefanten und kamen schließlich am Savuti Camp zum Übernachten an.

Auch hier graste wieder ein Elefant in Sichtweite, was uns - noch - nicht störte. Ein sich über uns zusammenbrauendes Gewitter hielt uns vom gemütlichen Sitzen am Feuer ab und wir gingen früh schlafen. Wir wussten noch nicht, dass dieser Schlaf nicht von langer Dauer sein würde.

Gegen halb zehn abends wurde es plötzlich laut um uns. Es knisterte, knackte und laute Schritte schienen näher auf uns zuzukommen. Es war schwierig abzuschätzen, wo genau sich das Tier befand, klar war aber, dass es sich nur um einen Elefanten handeln kann. Wir beobachteten weiter und entschieden uns vorerst ruhig und vor allem leise zu bleiben. Gar nicht so einfach. Caro zitterte am ganzen Körper und wollte trotzdem endlich sehen, wo sich das Tier befand. Julian durfte sich auf Anweisung nicht bewegen. Zahn für Zahn öffneten wir unser Seitenfenster, um Klarheit zu bekommen. Mit Myriam und Pirmin konnten wir währenddessen keinen Kontakt aufnehmen, weil es kein Netz gab und die Autos zu weit auseinander standen. Durch das Fenster konnte Caro sehen, dass das Tier nur einen Meter von unserem Auto entfernt Äste von dem Baum, unter dem wir standen, abriss und genüsslich laut verzehrte. Das Gefühl, so nah und ungeschützt neben einem Koloss von Tier zu stehen, ist angsteinflößender als alles andere. Jeden Löwen, jeden Leoparden hätten wir jetzt lieber am Auto sitzen haben wollen. Die machen ja nichts, während ein Elefant uns einfach „umlaufen“ kann. Etliche Fragen schwirrten uns in den Köpfen: sieht der uns? Hört der uns? Lässt der uns in Ruhe, wenn wir weiter ruhig bleiben? Plötzlich klapperte es laut. Pirmin und Myriam, die das Spektakel von ihrem Zelt aus genau beobachten konnten, dachten, in diesem Moment hätte er unsere Leiter abgerissen. Ein Glück, war es nur ein Schild, das in Mitleidenschaft gezogen wurde. Knapp eine Stunde verging, bis die Mahlzeit des Elefanten samt anschließendem Toilettengang abgeschlossen war. Weitere Minuten vergingen, bis sich der Puls langsam wieder legte. Wir versuchten, die Nacht noch irgendwie zum Schlafen zu nutzen. Zwei weitere Elefanten streiften unser Camp nachts erneut, blieben aber nur für einen kurzen Snack.

Erst am nächsten Morgen konnten wir uns dann über die „wilde Nacht“ austauschen und die Essensreste neben unserem Auto bestaunen. Er hatte wohl vergessen abzuräumen.

Wir waren uns alle einig darüber, dass wir ein solches Erlebnis nicht nochmal benötigen, auf der anderen Seite ist es auch irgendwie unglaublich, dass man so etwas noch in der freien Natur erleben kann. Der Game Drive des Tages viel vor allem durch Regen nicht besonders erfolgreich aus, war aber trotzdem schön. Die Elefanten-Herden ließen wir dabei dieses Mal recht schnell hinter uns. Am Nachmittag steuerten wir dann ein Camp mit angeschlossener Lodge am Chobe River an. Hier verbrachten wir unsere letzten Nächte im Botswana und verabschiedeten uns nach einer traumhaften Bootsfahrt auch von Myriam und Pirmin.

Nach knapp vier Wochen in Botswana können wir mit Sicherheit behaupten, dass man hier genau das wilde Afrika vorfindet, das man hinsichtlich tierischer Begegnungen und unberührter Natur nur vorstellen kann. Es ist an einigen Stellen etwas unorganisiert und manchmal auch wenig serviceorientiert und trotzdem teuer, aber die Erlebnisse, die man in diesem Land noch genießen kann, sind mit Geld eigentlich sowieso nicht zu bezahlen. Für einen Besuch dieses Landes sollte man unbedingt ein allradangetriebenes Auto buchen und sich einfach raus in die Natur trauen und beobachten, wie faszinierend die Tierwelt dort ist. Ob wilde Nationalparks oder feuchtere Delta-Region, hier erlebt man einzigartige Momente, die man nicht leicht vergessen wird.

Route in Botswana, Stand 16.02.22. Quelle: Gaia GPS / MapBox / Open Street Map.

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Lendenschurz und Fotohandy.

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1.000 km ohne Gegenverkehr.