Mitten in den Karpaten.

DJI_0748.jpg

Salut Rumänien. Nach vielen Wochen auf dem Balkan mussten wir unsere hart erarbeiteten Sprachkenntnisse mal wieder erweitern. Rumänisch ähnelt mehr der italienischen bzw. französischen Sprache, so kann man sich das ein oder andere herleiten.

Insgeheim hatten wir so große Erwartungen an dieses Land, dass wir fast ein bisschen Angst hatten, sie könnten gar nicht erfüllt werden. Wir können vorwegnehmen: das ist nicht passiert. Auf unserer bisherigen Reise hat es sich in etwa so eingespielt, dass wir uns immer genau auf das Land konzentrieren, in dem wir uns gerade befinden. Das betrifft auch die Planung, sodass wir uns unmittelbar in dem Land angekommen erstmal ein paar Stunden intensiv mit der Route auseinandersetzen, die wir fahren wollen. Bei Rumänien hat das zum ersten Mal wirklich lange gedauert. 

Wir starteten unsere Reise zunächst jedenfalls im Südwesten des Landes. In Herkulesbad, einem teils verfallenen Kurbad, in dem schon Kaiserin Sissi zu Gast war. Hier konnten wir erahnen, wie schön es hier vor vielen Jahren mal gewesen sein muss, als sich die damals Schönen und Reichen im einstigen Kurort entspannten und gesund badeten. Heute wird zwar zaghaft renoviert, im Allgemeinen fehlt aber das Geld für Restaurierungsmaßnahmen und so kommen lediglich Touristen vorbei, die sich diesen „lost place“ ansehen und fotografieren wollen.

Weiter nordöstlich befindet sich die drittgrößte Stadt des Landes, Timișoara. Die Stadt, in der 1989 die rumänische Revolution begann, ist in diesem Jahr Kulturhauptstadt und überall werden Verschönerungen an einer Stadt vorgenommen, die ohnehin schon Charme hat. Ehrlicherweise hätten wir im Allgemeinen nicht damit gerechnet, so schöne Städte in Rumänien vorzufinden. Aber mit ihrer meist schönen Architektur, vielen hippen Cafés und Restaurants und großen Kulturangeboten waren wir immer schnell angetan. Besonders ist uns ins Auge gestochen, wie selbst jedes kleine Dorf mit unfassbar schönen Kirchen glänzt. Überhaupt ist der orthodoxe Glaube der Rumänen im gesamten Land anhand der vielen Kirchen, Kreuze und kleinen Gebetsstätten deutlich erkennbar.

IMG_024.jpg

Lange wollten wir uns trotz der schönen Stadt nicht zentrumsnah aufhalten, sondern „ab in die Karpaten“ fahren. Nach regnerischen Tagen in Rumänien waren aufgrund nasser, lehmiger Böden nicht all unsere Strecken passierbar, aber immer fanden wir Alternativrouten, die uns zu schönen Übernachtungsplätzen führten. Wildes Camping in Rumänien stellt noch kein Problem dar. Hin und wieder gibt es vielleicht mal das ein oder andere Vieh-Gitter, das man aber vor sich öffnen und hinter sich wieder schließen sollte. Allein waren wir auf unseren Wegen zunächst nicht, denn viele Waldgebiete werden in Rumänien für die Holzwirtschaft genutzt. Riesige Traktoren und LKWs transportieren hier tonnenweise Holz aus den Wäldern und machen diese damit teilweise zu riesigen Baustellen. Wären wir hier im Schlamm steckengeblieben, hätte uns sicher schnell geholfen werden können. In den höheren Lagen waren wir dann immer unter uns. Naja, nicht ganz, denn immer wieder kreuzten uns riesige Schafsherden. Eine wohltuende Aufwärmpause gab es dann an unserem Feuer auch für einen Hirten, der sich freute, mal wieder Gesellschaft zu haben. Doch er musste das Feuer nicht nur mit uns, sondern auch mit unserem flauschigen Nachbarn teilen, der sich wie selbstverständlich einen Platz an unserem Lager einrichtete. Viele unserer Nächte sind auch von lautem Hundegebell „untermalt“. Wir glauben, den Höhepunkt der Straßenhunde-Population hier - Stand heute - gefunden zu haben. Mal ist es nervig, mal blutet das Herz, wenn einen die treuen Blicke treffen.

Über die Berge hinweg wollten wir den noch sehr altertümlichen Teil des Landes, die Maramureș, erreichen. Hier kann man zumindest an der einen oder anderen Stelle durch die alten Holzkirchen und -tore in den verträumten Dörfern erahnen, wie es sich hier früher gelebt hat. Heute weicht die Kutsche einem Mercedes, statt einer Hütte steht eine schicke Villa. Trotzdem behalten viele den Stil der Vergangenheit bei. Einer der Anziehungspunkte dieser Gegend ist die kleine Stadt Săpânța, die berühmt für ihren sogenannten „fröhlichen Friedhof“ ist. Fröhlich deshalb, weil jedem Verstorbenen eine individuell angefertigte, kunstvoll geschnitzte Holztafel gewidmet wird, auf dem entweder seine Person beschrieben, lustige Geschichten erzählt oder Erinnerungen festgehalten werden. Manchmal wird sogar eiskalt abgerechnet. Besonders beliebt bei den Besuchern ist die sogenannte „Ode an die Schwiegermutter“, in der die geplagte Schwiegertochter ihr Leid klagt („Unter diesem schweren Kreuze ruht meine Schwiegermutter. Hätte sie nur drei Tage länger gelebt, läge ich da und sie läse das, die hier vorübergeht. Versucht sie nicht zu wecken, dann kommt sie wieder, macht sie mich weiter nieder. Liebe Schwiegermutter, bleib bloß da liegen.“).

_DSC5374.jpg

Um mal einige Kilometer beide die Hände vom Steuer nehmen und dennoch die Natur genießen zu können, stiegen wir einige Tage später vom Auto auf Schienen um. Aber nicht in irgendeinen Zug, sondern in eine dampflokbetriebene Waldbahn, die uns dann ungefähr 40km durch die Wälder Rumäniens fuhr. Ursprünglich wurde diese Bahn genutzt, um das Holz der waldreichen Region zu transportieren. Heute wird das zwar noch immer gemacht, allerdings mit Dieselloks. Die Dampfloks hingegen fahren nur noch zu touristischen Zwecken. Keine DB - 1. Klasse Fahrt mit Extra-Beinfreiheit, aber trotzdem schön. Vor allem das Essen an den Haltestellen ist besser.

Südlich der Maramureș liegt die Stadt Cluj-Napoca, die zweitgrößte des Landes, die ebenfalls mit jungem Charme, vielen Restaurants, Bars und schönen Gebäuden glänzt. Hier verbrachten wir einen entspannten Tag, bevor wir uns mal wieder Untertage begaben. Aus einer ehemaligen Salzmine haben die Rumänen eine kleine Erlebnis-Welt erschaffen. Ein gläserner Aufzug führt nach unten in einen gigantischen, 42m hohen Saal von futuristischer Schönheit. Sogar Boote ziehen ihre Bahnen auf einem dunklen Salzsee. 

Anschließend begaben wir uns auf unsere nächste Wanderung. Dieses mal allerdings nicht über einen Berg, sondern durch einen hindurch. Die Höhle Rădeasa kann entlang großer Felsbrocken, kleinen Stromschnellen und Wasserfällen durchquert werden, was durchaus etwas Geschick, wasserdichtes Schuhwerk und Taschenlampen erforderte. Leider wurde die Umgebung stark durch einen Sturm beschädigt, sodass nicht mehr alle Wege begehbar sind, unser Besuch hat sich dennoch gelohnt und wir haben sogar ein paar schöne Bilder im Dunkeln schießen können.

Nach einigen Offroad-Tagen waren wir mal wieder bereit für eine Teerstraße. Aber nicht irgendeine. Wir wollten uns mit nicht weniger als zwei der „schönsten Straßen der Welt“ begnügen. Also steuerten wir die Transalpina und die Transfăgărășan an, zwei wunderschöne Alpenpässe, die mit ihrer Rennstrecken-ähnlichen Formen eingebettet in eine wunderschöne Berglandschaft spektakuläre Aussichten bieten. An dieser Strecke konnten wir dann auch endlich den auf unserer Bucket-List stehenden Bären streichen. Kurz nachdem auf unseren Handys ein lauter Signalton mit SMS ertönte und wir lasen „Achtung, die Anwesenheit mehrerer Bären wurde an ihrem Aufenthaltsort gemeldet. Setzen Sie sich keinen Gefahren aus!“ kam uns tatsächlich ein ausgewachsener Bär auf der Straße entgegen. Anders als in Deutschland scheinen diese Warnsysteme zu funktionieren. Unschön jedoch, dass wir ihn scheinbar nur deshalb sahen, weil er in dem von Menschen dagelassenen Müll am Straßenrand nach Nahrung suchte. Spannend, einen Bären aus nächster Nähe zu sehen, aber gleichzeitig beunruhigend, unter welchen Umständen uns das passiert ist. Eine geschätzte Anzahl von 5.000 Braunbären leben in den dichten Karpatenwäldern rund um die Städte. Hin und wieder trauen sich die mächtigen Tiere bis an den Stadtrand herunter, klettern in die Müllcontainer und durchwühlen den Abfall. Der Grund hierfür ist, dass in Revieren mit großer Bärenpopulation starke Tiere, schwache an den Rand des Reviers abdrängen. Diese halten sich dann als „Müllschlucker“ über Wasser. Aber auch starke Tiere werden teilweise bequem und nutzen den Abfall der Menschen, um sich zu versorgen. Mit diesem Thema werden wir uns aber noch im zweiten Teil unserer Reise befassen und weiter berichten.

Auch der nächste Tag brachte uns eine überraschende Begegnung. Nachdem wir die Nacht mit zwei Niederländern an einem ruhigen See verbrachten und gerade aufbrechen wollten, hielt ein Mann in dem neuen Land Rover Defender Modell und Dachzelt bei uns an. Was für ein Zufall. Wir kamen natürlich sofort ins Gespräch und er fragte sich, warum wir denn wohl hier schlafen durften. Die Förster hätten ihm am Abend zuvor verboten, im Dachzelt zu schlafen, es seien einfach zu viele Bären unterwegs. Nun waren wir uns auch sicher, dass das Gebrüll nachts sicher doch keine Hunde waren :-). Wir entschieden uns, eine Weile gemeinsam zu fahren und gemeinsam einen Kaffee trinken zu gehen. Es stellte sich heraus, dass wir gerade genau das machten, was auch Harry vor vielen Jahren mit seiner Freundin machte. Er schien begeistert davon zu sein, junge Leute zu treffen, die einen ähnlichen Plan verfolgten. Und viele Jahre später trifft man sich dann mit dem gleichen Auto mitten in Rumänien. Einziger Unterschied: die jungen fahren den alten und die „alten“ fahren den jungen Wagen. Andersherum hätten wir wohl noch zehn Jahre länger für eine Reise wie diese sparen müssen.

Wir verabschiedeten uns, gingen zum Auto und unterhielten uns dort noch für eine Weile mit Aussicht auf die Transfăgărășan. Währenddessen verging sich ein junger Mann an der anderen Seite des Autos an der Fahrertür, ohne zu wissen, dass wir zu dem Auto gehörten. Erst kurz bevor er in das Auto gehen wollte, um den Fahrerraum wohl nach wertvollen Gegenständen zu durchsuchen, gingen wir um das Auto und stellten fest, was der nette Herr wohl vorhatte. Zu dumm, dass Harry auch noch rumänisch spricht und ihn in ein wohl unangenehmes Gespräch verwickelte. Wir hatten großes Glück, dass wir gerade noch rechtzeitig zurück waren. Uns ist klar, dass man unsere Türen mit nur wenig Aufwand öffnen kann (letztendlich reicht bei solchen Schlössern ja ein Schraubenzieher und ein wenig Geschick), aber das nochmal zu erfahren, war vielleicht Glück im Unglück. Da hilft tatsächlich nur das kleine 1x1 des Unterwegs-Seins: die wichtigsten Gegenstände mitnehmen oder an einem sicheren Ort zu verstecken und darauf vorbereitet sein, dass es nicht nur gute Menschen auf der Welt gibt.

Nachdem der erste Schock verdaut ist, machen wir uns auf den Weg zum Donaudelta und zum schwarzen Meer. Dort wollen wir nach vielen Tagen des unterwegs-seins ein paar Tage entspannen, bevor sich unsere Zeit in Rumänien dem Ende neigt.

Von diesen Tagen werden wir euch dann in unserem nächsten Post berichten.

Route in Rumänien,  Stand 16.09.2021. Quelle: Gaia GPS / MapBox / Open Street Map.

Route in Rumänien, Stand 16.09.2021. Quelle: Gaia GPS / MapBox / Open Street Map.

Zurück
Zurück

Wilde Bären und das Donaudelta.

Weiter
Weiter

Auf Durchreise.