Wilde Bären und das Donaudelta.

Nach zwei Wochen im westlichen Teil der Karpaten bzw. Rumäniens wollten wir uns unbedingt noch weiter in den Osten begeben und zur Schwarzmeerküste des Landes zu fahren. Vorher machten wir aber noch einen Halt in der Stadt, die uns rückblickend besonders gut gefiel. Sibiu (deutsch: Hermannstadt) ist eine der Städte, die im 12. Jahrhundert von Deutschen besiedelt wurden und so findet man auf den Schildern und Karten heute analog zu den rumänischen Städtenamen auch immer die Deutschen. Sie ist überschaubar groß, hat sowohl den Charm einer Kleinstadt, aber auch internationale Einflüsse, die sich in Geschäften und Restaurants wiederfinden. Es gibt viele weitere Städte, an denen der deutsche Einfluss noch immer zu erkennen ist. Sogar in deutschen Buchläden wurden wir fündig.

Eine Tagesfahrt weiter kamen wir an dann an der geplanten Sehenswürdigkeit an, die wir uns extra für die letzten Tage in Rumänien aufgespart hatten, dem Donau-Delta. Nachdem die Donau ihre Quelle im Schwarzwald verlässt, fließt sie ungefähr 2.850 km durch insgesamt zehn Länder bis zum Schwarzen Meer. Sie mündet im rumänisch-ukrainischen Grenzgebiet und bildet dort ein riesiges Flussdelta. 5000m² Wälder, Seen, Seitenausweitungen und Biotope auf trockenem Boden in den Dünen machen das Donaudelta zu einem einzigartigen Naturschauspiel. Historisch betrachtet kam das Ende des Kommunismus in Rumänien im Jahr 1989 gerade noch rechtzeitig. Denn die Regierung Rumäniens plante, einen Großteil des Gebietes in landwirtschaftliche Flächen umzuwandeln. Nur der Fall des Regimes rettete die Schönheit, von der wir uns hautnah überzeugen lassen konnten. Heute zählt das Biosphärenreservat zum Weltnaturerbe und wurde erfolgreich an Stellen wieder hergestellt, die damals teilweise bereits trockengelegt wurden. Die Tierwelt im Donaudelta ist vielfältig. Vor allem beide in Europa lebenden Pelikanarten sind das Aushängeschild des Deltas und zur passenden Jahreszeit reihen sie sich dort zu tausenden. Weiterhin leben dort alle europäischen Reiher- sowie etliche östliche Vogelarten. Besonders ab Mai bis zum Ende des Sommers lassen sich die Vögel besonders zahlreich beobachten und fotografieren. Ab Oktober lichtet sich das Glück, auf dem Wasser viele der Tiere zu sehen, denn viele begeben sich bereits auf den Weg in wärmere Gebiete (wir kommen nach!). Mit diesem Wissen begaben wir uns auf den Weg zu unserem freundlichen Gastgeber, der uns auf seinem Hof begrüßte und unsere Hoffnungen, auf viele Tiere zu treffen, nicht all zu groß werden ließ. Wir verabredeten uns dennoch für den nächsten Morgen um 6 Uhr zur Abfahrt auf seinem kleinen Boot und hofften darauf, dass es nicht regnet. Pünktlich um vier Uhr nachts hatte "Petrus" Erbarmen mit uns und stellte den Regen ein, sodass wir unter klarem Sternenhimmel starten konnten. Ovidiu, unser "Kapitän", startete das Boot und wir begannen unsere sechsstündige Fahrt auf dem Delta unter aufgehender Sonne und auf dem Wasser schwebendem Nebel.

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Gleich auf den ersten Metern standen, aufgereiht auf Steinen und Pfeilern, mehrere Fischreiher. Fast sah es so aus, als hätte man eine Show für uns eingeübt. Zunächst fuhren wir einige Kilometer hinaus, um in entlegenere Teile zu gelangen und die Fischer nicht zu stören. Im rot-gelben Licht waren wir überwältigt von der Atmosphäre, die uns umgab. Ovidiu erzählte uns während der Fahrt von der Geschichte des Deltas, der Vielfalt, die dort lebt, aber auch von Problemen, die dort herrschen. Leider wurde auf der ukrainischen Seite des Deltas für wirtschaftliche Zwecke ein Kanal gebaut, um u. a. mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Darunter leidet natürlich die Natur, sodass Naturschützer fürchten, dass einige Arten zukünftig nicht mehr ins Delta kommen werden. Nach einem kurzen Stopp bei Berufsfischern auf einer kleinen Insel bekamen wir dann tatsächlich noch einige Pelikane zu sehen. Zu dieser Jahreszeit hatten wir wirkliches Glück, diese Begegnung zu machen.

Entlang der Küste verbrachten wir nach diesem spannenden Ausflug noch zwei Nächte am schwarzen Meer, das mittlerweile am Strand nahezu menschenleer ist. In den Sommermonaten hingegen finden sich hier etliche Rumänen zum Campen zusammen.

Wie schon im letzten Blogeintrag (hier) über Rumänien erwähnt, wollten wir uns noch näher mit den Bären in Rumänien beschäftigen. Hierzu besuchten wir auf unserem vorletzten Programmpunkt ein deutsch-rumänisches Ehepaar in der Nähe von Brașov. Herr und Frau Kurmes setzen sich neben dem Betreiben ihrer eigenen Pension für den Schutz der Braunbären ein. Einige der als "Tanzbären" oder "Zirkusbären" misshandelten Tiere retteten sie persönlich und gaben ihnen Schutz in Reservaten, die heute ebenfalls besucht werden können. Die Erzählungen des Paares erschrecken mit unfassbarer Grausamkeit. Von Bären, deren Augen mit Säure bearbeitet wurden oder von Tieren, die auf heißen Platten laufen mussten, um tanzähnliche Bewegungen zu erzeugen – die Liste der Quälereien zu Gunsten der Bespaßung von großen Menschenmassen ist lang. Neben der Befreiung der Braunbären halfen die beiden in Zusammenarbeit mit ortsansässigen Förstern aber auch bei dem Prozess, die Tiere wieder in wildere Gebiete der Karpaten umzusiedeln. Um Tiere davon abzuhalten, innerhalb der Städte in Müllcontainern oder Wohngebieten nach Essen zu suchen, pflanzten die Helfer Obstbäume oder legten an bestimmten Stellen Futter aus, um den Tieren wieder ihren eigenen, sicheren Raum zu schaffen. Dabei wird streng darauf geachtet, dass immer nur Futteranreize geschaffen werden, niemals aber der Sinn der Futtersuche unterbunden wird. An einer dieser Futterstellen durften wir schließlich einen Förster bei seiner Arbeit begleiten. Nach einer Stunde Autofahrt in die Tiefen der Karpaten stiegen wir zur Abenddämmerung aus dem Auto aus. Eine Garantie, wann die Tiere hier auftauchen, gibt es natürlich nicht. Hin und wieder kann es Stunden dauern, bis sich die Bären zu den bekannten Stellen begeben, doch bereits bei unserer Ankunft konnten wir zwei ausgewachsene Bärenmütter mit ihren Jungen aus der Ferne sehen. Wir konnten dem Förster, der uns zu dem ca. 100m entfernten Hochstand bringen wollte, seine Angespanntheit anmerkten. Bewaffnet und mit lautem Klopfen auf die Baumstämme konnte er die Bären zunächst etwas von uns entfernen und wir so sicher auf die Erhöhung gelangen, auf der wir in sicherer Entfernung beobachten konnten, wie die Tiere in freier Natur leben. Eine der Bärenmütter stellte sich sogar auf ihre Hinterbeine, als wir schnell und konzentriert die Treppen hochgingen. Zwei Stunden lang konnten wir ungefähr zehn Bären um uns herum beobachten, fotografieren und den Erzählungen der Initiatoren lauschen. Ein unglaubliches spannendes Ereignis in der freien Natur.

Unsere letzten Tage in Rumänien verbrachten wir schließlich in der Hauptstadt Bukarest, wo wir Caro's Geburtstag gemeinsam mit einer Freundin verbrachten. Manuela hat vor vielen Jahren ein Auslandsjahr in Caro's Klasse gemacht und ist in Bukarest großgeworden. Der Kontakt brach glücklicherweise nie ab und nach vielen Jahren konnten wir uns endlich wieder in die Arme schließen. Nach vier Wochen in Rumänien konnten wir von ihr noch viele Dinge lernen, die uns auf unserer Reise im Land aufgefallen sind. Auch Bukarest selbst gefiel uns beiden sehr. Wir empfanden die Stadt als eine Mischung aus schroffem Berlin und romantischem Paris. Etliche große Gebäude, viele Alt- und Neuplattenbauten, aber auch junges Leben in den Szenevierteln.

Rumänien hat uns auch mit unseren großen Erwartungen an dieses spannende Reiseland nicht enttäuscht - ganz im Gegenteil. Das Land ist in seiner Bandbreite an Natur und Kultur so vielfältig, dass man kaum weiß, womit man anfangen soll. Ganz entgegen unserer Annahme, sind wir auf super viele schöne und moderne Städte gestoßen, in denen wir selbst länger Zeit verbringen würden. Vor allem die Nähe zur Natur und den Tieren, die dort leben hat uns beeindruckt und manchmal auch nachts verschreckt. Wer Offroad-Abenteuer mit dem Auto, kurze Städtetrips oder Ausflüge zum Donaudelta oder Bärenbeaobachtungen erleben möchte, ist in diesem Land absolut richtig aufgehoben.

Unsere nächsten Tage und Wochen werden wir ohne langen Aufenthalt in Bulgarien und einer kurzen Auszeit in Skopje dann in Albanien verbringen.

Route in Rumänien, Stand 01.10.2021. Quelle: Gaia GPS / MapBox / Open Street Map.

Route in Rumänien, Stand 01.10.2021. Quelle: Gaia GPS / MapBox / Open Street Map.

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Mitten in den Karpaten.