Bei den Königen der Berge.

Vom Doyan Valley nahe der Stadt Astore entschlossen wir uns, das schöne Wetter zu nutzen, um einen Pakistans bekanntester Berge zu besuchen.

Der Nanga Parbat, der unter den lokalen Menschen als der „Killer-Berg“ oder als der „König der Berge“ bezeichnet wird, ist mit seinen 8.126 Metern Höhe einer der vierzehn Achttausender der Erde und Pakistans zweithöchster Berg nach dem K2. Das Land behaust insgesamt fünf der höchsten Berge der Welt. Unter professionellen Bergsteigern wird der Nanga Parbat besonders gefürchtet, da er als einer der anspruchsvollsten und am schwierigsten zu besteigenden Berge gilt. Knapp 70 Bergsteiger überlebten den Versuch, bis an den Gipfel im Himalaya-Gebirge zu gelangen, nicht. Die Wahrscheinlichkeit, bei der Besteigung des Nanga Parbat zu sterben, ist Stand heute also größter als beim höchsten Berg der Erde, dem Mount Everest in Nepal. Reinhold Messner hat bei seinem Versuch, den Berg im Jahre 1970 zu besteigen, seinen Bruder verloren.

Der Weg zur sogenannten „Fairy Meadows“, einem Ausgangspunkt für die Besteigung des Nanga Parbat auf der Seite des Westhimalaya, war in zwei Abschnitte gegliedert, einer Fahrt mit dem Jeep und einer anschließenden zweistündigen Wanderung zum Übernachtungsort. Zunächst mussten wir den Defender an einem Sammelpunkt parken, von dem aus es ausschließlich mit lokalen Jeeps weiterging. Das Fahren mit dem eigenen Fahrzeug ist auf dieser Strecke aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt. Nachdem wir unsere Rucksäcke für den dreitägigen Ausflug gepackt hatten, stand unser persönlicher Jeep schon bereit. Ob die bereitgestellten Jeeps wirklich sicherer waren, als unser eigenes Auto, bezweifelten wir schon beim Einsteigen. Aber weil die freundlichen Männer die Strecke, die als eine der gefährlichsten der Welt gilt, wohl besser kannten als wir, stiegen wir voller Vorfreude ein. Die Straße ist steil. Überall sind Sand und Steine und nirgends Halt. Ein 4×4 ist hier Pflicht, genau wie ein furchtloser Fahrer. Zum Glück haben wir beides. Unser Fahrer ist ein junger Mann, der glaubt, er könne das Unmögliche schaffen. Zum Beispiel diese verrückte Straße fahren und dabei telefonieren oder ständig den Radiosender wechseln. Und wir sitzen hinten und springen von links nach rechts, auf und ab, können uns kaum festhalten und gleichzeitig vor Lachen nicht mehr halten. Es fühlte sich an, wie der Schleudergang in der Waschmaschine. Die Kurven sind so eng, dass wir uns wundern, dass selbst dieses alte Auto sie bewältigen kann. Aber es tut dies mit Leichtigkeit. Wir sitzen in einem alten Jeep, der die Steilheit der Straße bewältigt, als wäre sie eine asphaltierte Autobahn. Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass Oldies Leistungsträger sind, aber dieser hier beeindruckt uns sehr, obwohl uns nicht klar war, dass es ein Auto mit weniger Fahrkomfort gibt als den Defender. Der Fahrer dreht die Lautstärke auf, pakistanische Musik dröhnt jetzt aus den Lautsprechern. Kein Zähler auf dem Armaturenbrett funktioniert, wir fahren schon seit einiger Zeit 20 km/h ohne Benzin. Zumindest laut den Zählern. Wir fragen uns, ob der Mann, der unser Leben in den Händen hat, weiß, wie viel Benzin noch da ist. Diese Straße sieht nicht wie eine aus, auf der wir viele Tankstellen finden werden.

Nach ungefähr einer Stunde rasanter Fahrt hörten wir plötzlich einen lauten Knall, der den Jeep Wranger schlagartig zum Stehen brachte. Unser Fahrer ließ sich davon zunächst nicht aus der Ruhe bringen und kramte auf der Ladefläche nach seinem Werkzeug. Doch schon bald machte sich weiterer Verkehr von hinten bemerkbar. Zwei Fahrzeugen versperrten wir durch unsere Panne die Weiterfahrt. Es stellte sich heraus, dass die Reisenden hinter uns eine Dokumentation drehten. Da kam das Bild von mehreren Pakistanis, die auf einer der gefährlichsten Straßen der Welt ein Auto reparieren, gerade recht. Und noch ein Zufall, denn die Hauptdarstellerin der Dokumentation kannten wir bereits aus anderen Filmen. Vor zwei Jahren haben wir während der Corona-Pandemie noch in Träumen geschwelgt, auch mal so eine Reise wie Margot zu machen und nun haben wir sie am Fuße des Nanga Parbat in Pakistan getroffen. Für ihre neue Dokumentation war Margot mit ihrem TV-Team unterwegs, um unter anderem den Weg in das Basislager des Berges zu dokumentieren. (Margot auf dem Landweg nach Laos: YOUTUBE)

Nach wenigen Minuten hatten die drei Fahrer das Problem an unserem Fahrzeug gelöst und es konnte die letzten Kilometer weiter gehen. Nach zwei weiteren Stunden Wanderung trafen wir gegen Nachmittag an unserer kleinen Almhütte an und verbrachten den Abend bei einem gemütlichen Lagerfeuer und kühlen drei Grad.

Nach einem Tag, den wir auf der Ebene verbracht haben, hatten wir am frühen nächsten Morgen genügend Energie für eine nächste Wanderung. Ziel war der letzte Aussichtspunkt vor dem Basislager. Das Wetter war auf unserer Seite und wir genossen eine schöne vierstündige Wanderung mit einem atemberaubenden Blick auf den klar sichtbaren Berggiganten. Wir hatten uns zuvor noch die Frage gestellt, ob die hohen Berge Pakistans wirklich so gigantisch wirken oder es keinen Unterschied zu unseren europäischen Bergen gibt. Aber ja, wandert man erstmal auf über 4.000 Meter hoch und stellt dann fest, dass der Gipfel noch weitere 4 Kilometer höher liegt, ist man wirklich überwältigt und man selbst wirkt in der Umgebung so klein und unbedeutend. Zurück an der Berghütte angekommen, wartete das typische Linsengericht „Daal Mash“ auf uns, das die lokalen Mitarbeiter jeden Tag frisch für uns zubereiteten. Die pakistanische Küche gefällt uns bisher neben der türkischen mit am besten und an die Schärfe haben wir uns mittlerweile schon fast gewöhnt.

Nach drei Tagen in der schönen Region um den Nanga Parbat zog es uns weiter und wir wanderten wieder zurück ins Tal, fuhren mit dem zuvor gebuchten Jeep zurück (den Julian sogar kurz fahren durfte) und waren zurück beim “Landy”. Es zog uns weiter in Richtung Norden. Wir wollten mal wieder unser Glück versuchen, einen Platz zum wild campen zu suchen. Das hatte bisher nicht so gut funktioniert und auch bei diesem Mal scheiterten wir an etlichen Polizei-Checkpoints, die uns mitteilten, dass wir besser bei einem Hotel oder Guesthouse übernachten sollten. Schade, aber andere Länder, andere Regeln. Jedenfalls fuhren wir durch die kleinen Dörfer auf der Ostflanke des Nanga Parbats und plötzlich kamen wir mit einem Dorfbewohner ins Gespräch, der ein Hotel wenige Meter von dort betreibt. Wir fragten ihn, ob wir auf seinem Gelände campen dürften und er willigte ein. Am nächsten Morgen lud er uns zum Frühstück ein und bot uns an, Fotos seiner Hotelanlage zu schießen und im Gegenzug dafür eines seiner Hotelzimmer nutzen zu können. So blieben wir insgesamt weitere drei Tage, kümmerten uns um die Fotos und Besorgungen in der Stadt und begaben uns im Anschluss auf unsere Weiterreise.

Unser nächster Stopp war das zweithöchste Plateau der Welt nach dem Hochland von Tibet. Der Deosai-Nationalpark ist eine alpine Hochebene von außergewöhnlicher Schönheit, die sich im westlichen Himalaya-Massiv, östlich des Nanga Parbat Peak und in unmittelbarer Nähe der Karakoram-Kette befindet. Das 3.500 bis 5.200 m hoch gelegene Plateau ist 358 400 ha groß und besteht aus flachen, aber welligen Ebenen, die von sanften Hügeln unterbrochen und auf allen Seiten von Bergen umgeben sind. Es bildet einen starken Kontrast zu einem Großteil der umliegenden Landschaft, die aus engen Tälern zwischen steilen Bergen besteht.

Nach zwei Nächten Abgeschiedenheit und Camping im Nationalpark, bei dem uns nachts sogar ein ausgewachsener Bär besuchte, trafen wir uns mit unseren pakistanisch-schottischen Freunden, mit denen wir bereits die Grenze überquert hatten. Unser Weg nach Hunza, einem bekannten touristischen Ort im Distrikt Gilgit-Baltistan führte über die kalte Wüste „Katpana“, eine hoch gelegene Wüste in der Nähe von Skardu. Die Wüste enthält große Sanddünen, die im Winter manchmal mit Schnee bedeckt sind. Mit einer Höhe von 2.226 Metern über dem Meeresspiegel ist sie eine der höchstgelegenen Wüsten der Welt.

Als wir Jia, Sha und ihren Freund Yasin aus Lahore trafen, planten wir ein paar Ausflüge in die Ausläufer des Karakorum-Highways. Wir haben uns gefreut, sie endlich wiederzusehen, um ihr Heimatland gemeinsam zu bereisen. Mit Einheimischen, die die Sprache sprechen unterwegs zu sein, ist ein wirklicher Mehrwert. Nicht nur, weil wir so mehr von Land und Leuten mitbekommen, sondern auch weil die Verhandlungskünste in lokaler Sprache meist besser funktionieren.

Entlang der Strecke weiter in den Norden passierten wir den Attabad-See. Der durch eine Naturkatastrophe entstandene See ist als einer der schönsten Seen Pakistans bekannt und zieht jedes Jahr Tausende von Touristen an. Er entstand im Jahr 2010 durch eine massiven Erdrutsch. Beim Anblick des ruhigen und klaren blauen Wassers kann man kaum glauben, dass drei Dörfer hierunter vergraben wurden. Die neblig, regnerische Atmosphäre passte am Tag unserer Bootsfahrt besonders gut zu dieser tragischen Geschichte.

Nach einem Zwischenstopp in der Stadt Sost starteten in den frühen Morgenstunden weiter in Richtung chinesischer Grenze. Der höchste Punkt der Autostraße ist der Khunjerab-Pass auf 4.693 m über der Karakoram-Kette, der auch den höchsten Grenzübergang der Welt darstellt. Insgesamt dauerte es 20 Jahre (1966-1986), um die Straße zu bauen, die die alte Route der Großen Seidenstraße darstellt. Die enorme Höhe mit dem Risiko der Höhenkrankheit, das schlechte Wetter, die steile Straße und die allgemeine Unzugänglichkeit machen die Reise risikoreich und schwierig. Der lange, relativ flache Pass ist im Winter oft schneebedeckt und daher im Allgemeinen vom Ende November bis Anfang Mai geschlossen. Aufgrund der Corona-Pandemie ist die Grenze allerdings mittlerweile sogar schon seit drei Jahren nicht passierbar. Für uns war der höchste Grenzübergang der Welt an der Stelle also lediglich ein Tagesausflug und wir machten uns auf den Rückweg in Richtung Islamabad. Von dort aus wollen wir versuchen, die offiziell noch geschlossene Grenze zu Indien zu überqueren, das inoffiziellen Aussagen zufolge wieder möglich sein soll.

Ob wir das Visum wirklich erhalten haben und uns auf den Weg nach Indien machen können, berichten wir euch beim nächsten Mal.

Route in Nord-Pakistan, Stand 25.09.22. Quelle: Gaia GPS / Open Street Map.

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Vorurteile über Bord geworfen.

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Ehrengäste am Independence-Day.